Was macht Sie als Metalhead-Manager so erfolgreich?

 

Was heißt erfolgreich? Damals, als wir angefangen haben, war vor allem die Leidenschaft für handgemachte Musik ganz stark. Leidenschaft als Leitbusiness. Wir fuhren ja selbst gerne auf Festivals und waren in den 80ern und 90ern in Roskilde (Anm.: Dänisches Festival) und ‚Monsters of Rock’ (Anm.: Heavy-Metal-Musik-Festival, das zwischen 1980 bis einschließlich 1996 auf der Donington-Park-Rennstrecke bei Castle Donington in Leicestershire, England stattfand). Und dann waren wir 1988 beim legendären Werner Rennen in Hartenholm. Das waren sehr viel Kicks für uns und da haben wir uns gesagt, das wollen wir auch mal. Und haben dann ein Jahr später, 1989, in einer Dorfkneipe entschieden, ein kleines, feines Festival in der Tonkuhle in Wacken zu machen und haben das auch umgesetzt. Ja – aber wir mussten auch mit vielen Widrigkeiten umgehen und haben viele Fehler gemacht. Bezeichnend war allerdings, dass wir immer wieder aufgestanden sind und die Leidenschaft nie aufgehört hat. Man könnte sagen, dass wir richtig besessen von der Sache waren und haben das dann auch durchgezogen. Und durchgehalten. Das ist wahrscheinlich das Erfolgsmodell – auch, wenn das irgendwie das verkehrte Wort ist. Vielleicht besser so: Wir haben immer wieder auf die Fresse bekommen, sind aber immer wieder aufgestanden.

 

Und das Schöne an der Geschichte ist, dass wir unseren Mitarbeitern immer wieder versuchen zu erklären: ‚Leude – es kann mal was schief laufen bei einem Projekt, aber danach heißt es wieder aufstehen. Und dann gucken, was schief gelaufen ist.’

 

 

 

Beim Blick auf Ihr ICS-Team fällt auf, dass dort viele Mitfünfziger und Ü60-Leute auftauchen. Eher ungewöhnlich fürs Musikbusiness. Achten Sie bewusst auf einen Alters-Mix?

 

 

 

Beim Catering gibt es zum Beispiel Leute, die sind seit Beginn dabei und mit uns mitgewachsen. Das sind Leute, die uns seit Ewigkeiten die Treue halten. Fast 30 Jahre. Ja, wir haben ein sehr treues, loyales Personal. Oder auch die Lieferanten sind seit Ewigkeiten dabei. Und Thomas und ich sind natürlich auch über 50. Aber wir haben auch eine große Menge sehr junger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

 

 

 

Wie alt sind die Wacken-OPEN-Air-Fans so im Schnitt?

 

 

 

Mittlerweile haben die Alteingesessenen ihre Kinder oder sogar Enkelkinder mit. Insofern haben wir eine sehr breite Masse an Publikum.

 

 

 

Ist Ihre Community oder ihre ‚Familie’ älteren Leuten gegenüber eher aufgeschlossen? Wie würden Sie das einschätzen?

 

 

 

Absolut. Unsere Hauptstraße in Wacken wurde ja in den Hochphasen legendär – wenn die Dorfleute in den Gärten saßen und unsere Metaller herzlich begrüßten. Da haben sich schon echte Freundschaften entwickelt oder wurden sogar Liebesbeziehungen geknüpft. Unser Dorf ist wirklich sehr tolerant und wohlwollend und die Metaller finden das natürlich toll. Und: Die Dorfleute feiern ebenso gerne mit und begrüßen die Gäste dementsprechend fröhlich. So freuen sich beide Seiten jedes Jahr aufeinander. Die  Dorfbewohner auf die vielen ausländischen Gäste und dass sie Spaß haben und die Metaller – so unter dem Motto ‚Wir sind wieder zu Hause’.

 

 

 

Wohnen Sie eigentlich selbst in Wacken oder in Hamburg oder wo sind Sie eigentlich zu Hause?

 

 

 

Der Thomas ist gebürtiger Wackener, ich von der Nachbargemeinde Besdorf. Und unsere Familien leben noch da. Ich selbst wohne in Hamburg.

 

 

 

Die Kapelle Freiwilligen Feuerwehr von Wacken spielt bei jedem WOA als Opener – also erster Gig. Wer hat sich das eigentlich ausgedacht und sind sie selbst in der Freiwilligen Feuerwehr?

 

 

 

Thomas und ich sind beide Mitglieder der Feuerwehr. Es war so, dass die Feuerwehr Anfang 2000 das Bierzelt beim Festival aufgebaut hat. Und da haben wir überlegt, dass wir da eigentlich auch eine Kapelle da drin brauchen. Aber so eine bayerische Kombo hätte nicht gepasst bei uns im Norden, also habe ich die Feuerwehrkumpel gefragt: ‚Habt ihr nicht Bock, da mitzumachen?’ und die hatten richtig Bock – fanden sie witzig, mal so was anderes zu machen.

 

 

 

Die Gemeinde Wacken hat rund 1830 Einwohnerinnen und Einwohner. Die meisten davon wahrscheinlich eher älter und natürlich ländlich geprägt. Wie haben Sie und Thomas Jensen es damals geschafft, alle mit ins Boot zu holen und die Wogen zu glätten oder auch die Angst vor der schwarzen Metalgemeinde zu nehmen?

 

 

 

Man muss maximal performen und alles dafür tun, dass die Gemeinde nicht belastet wird.

 

 

 

Sie machen ja nicht nur das Wacken Open Air im August sondern auch Fullmetal-Kreuzfahrten und noch zig Riesenevents. Kriegen Sie Bock auf immer noch größere Veranstaltungen oder denken Sie – demnächst geht ich tilt.

 

 

 

Wir machen ja nicht nur Wacken sondern suchen immer noch nach anderen Brands und weil Wacken einzigartig ist, wollten wir mit den neuen „Brand Full Metal Cruise“ arbeiten und mit „Full Metal Mountain“. Wir suchen da immer nach neuen Dingen. Zum Beispiel „Full Metal Holidays“ auf Mallorca.

 

 

 

Aber, um noch mal auf meine Frage zurück zu kommen: Sie haben also immer noch Lust auf noch mehr Brands, wie Sie es nennen, noch größere Veranstaltungen?

 

 

 

Ja – macht Spaß. Und für unsere Mitarbeiter muss es ja auch interessant sein. Wir haben Schiffstouren, Berge, Meer, Holiday im Event-Programm – wir haben echt viele Facetten, was es auch für die neuen Mitarbeiter interessant macht, für Wacken zu arbeiten. Denn das ist einfach ein geiler Job.

 

 

 

Davon können andere Manager wirklich etwas von Ihnen lernen …

 

 

 

Aber natürlich gibt es auch ein ganz normales Konzertgeschäft. Dennoch: Je mehr wir den Mitarbeitern und Künstlern an Shows anbieten können, desto besser ist es natürlich für alle. Weil alle zufrieden sind, die Künstler Bock drauf haben und wir uns alle freuen.

 

 

 

Herr Hübner, wie möchten Sie selbst im Alter sein, wie sehen Sie sich im Alter? Möchten Sie noch mit Kutte herumlaufen? So mit 80 zum Beispiel?

 

 

 

Wenn ich noch so lange lebe, ist alles gut. ‚Ansonsten - weiß ich nicht.

 

 

 

Dann eben 70 – so lange leben Sie sicher noch.

 

 

 

Ach wissen Sie – ich lebe im Hier und Heute und nicht in Zeiten, die weit weg sind.Obwohl wir in puncto Wacken natürlich langfristig denken- auch um Planungssicherheit zu haben und Investitionen überblicken können.

 

Aber was mit mir mit 80 ist – keine Ahnung. Nur, dass man natürlich auch die Nachfolgeregelung im Blick haben sollte … damit es weitergeht.

 

 

 

Ja – aber, wenn zum Beispiel Peter Fox darüber singt, dass er sich später mal am See sieht - mit einer großen Gruppe von Freunden und einer ganzen Schar Enkel – haben Sie da gar keine Vision vom Älterwerden?

 

 

 

Nö. Keine. Aktuell mit meinen Prinzipien, meinen Leuten meinen Fähigkeiten – so ist es okay.

 

Was mit mir persönlich werden soll in 30 Jahren, das muss ich erst noch entscheiden

 

 

 

Sie unterstützen ein junges Startup, das Videospiele für an Demenz Erkrankte herstellt, um diese geistig zu mobilisieren. Wie kam es dazu?

 

 

 

Der Vater eines der Mitbegründer von Wacken war damals an Demenz erkrankt und ist daran sehr elendig gestorben. Da war mir klar, dass man dagegen etwas tun muss. Das ist ja wirklich die neue Volkskrankheit, was viele aber noch gar nicht richtig realisieren. Aber da muss man was machen. Demenz ist ein großes Thema, und deshalb unterstütze ich auch das Startup.

 

 

 

Sie kommen ja aus Besdorf bei Wacken. Wie finden Ihre Eltern denn Ihre Anfangsjahre mit Wacken und wie finden Sie jetzt Ihr Riesenunternehmen ICS International.

 

 

 

Naja zu Anfang, als das noch nicht so richtig gelaufen ist, fanden die das natürlich nicht so lustig und haben Bedenken gehabt. Und dann hatten wir ja 1993 so ein Super-Gau-Festival – (Anm.: Wacken 1993. Ein Todesfall in der Familie Jensen und der schwere Verkehrsunfall von Holger Hübner erschweren die Planungen für das Festival, was dazu führt, dass nur 4000 zahlende Gäste erscheinen. Das Resultat: Sechsstelliger Verlust und das Beinahe-Aus des W:O:A) – da brauchten wir unsere Eltern, die meinten aber: ‚Einmal machen wir das, aber nur ein Mal!’ Weil unsere Eltern ja auch nicht so gut betucht waren. Danach haben Thomas und ich das aber ja auch gut in den Griff bekommen.

 

 

 

Haben Sie selbst noch Eltern und wie finden diese Metal, W:O:A und Ihren unglaublichen Erfolg mit ICS international?

 

 

 

Mein Vater ist ja leider schon verstorben, aber meine Mutter lebt noch dort im Dorf und die sitzt gerne auf Festivals. Sie findet es toll, dabei zu sein und von der ‚Artist-Area’ aus die Künstler zu sehen.– mit ihren 79. Dann muss meine Tochter immer mit, die ist 17 und die findet es natürlich ganz peinlich, da zu sein. Aber ihrer Oma zuliebe tut sie es.

 

 

 

Wie kommt es, dass Sie trotz extremen Erfolges und hoher Kommerzialisierung keine echten Neider habe?

 

 

 

Es gibt immer Neider. Das sind meist die Leute, mit denen wir nicht zusammen arbeiten, weil es irgendwie nicht passt. Oder das Menschen, die geschäftlich nicht weiter kommen. Da sind sie dann vielleicht sauer auf uns. Die anderen Leute haben großen Respekt vor unserer Arbeit und davor, was wir geleistet haben und leisten.

 

 

 

Wo liegt die Wacken-Faszination? Was ist das für ein Phänomen?

 

 

 

Ich glaube, dass diese unglaubliche Heavy-Metal-Community einfach das beste Publikum der Welt ist. Feiern. Sich selbst feiern. Ihre Leidenschaft für die Musik feiern.

 

Und die Bands, die da sind, spielen ihr Best-of-Programm. Alle sind am Start, Alle sind dabei. Alle, die sonst nichts miteinander zu tun haben, sind zusammen gut drauf. Auch bei schlimmsten Wetter – und das hatten wir oft. Trotzdem blieben alle nett und freundlich.

 

Insofern ist das Festival der Headliner.